Autoren
Boltzmann Ludwig
Verlag
Verlag Harri Deutsch
Entropie und Wahrscheinlichkeit 2000
Seiten
272
ISBN
3817132867
Ausgabe
1. Auflage 2000, 2002
Kerninhalte:
S. 6 I. Betrachtung einatomiger Gasmoleküle.
Es wird für die Folge besser sein, statt der Geschwindigkeit die lebendige Kraft eines Moleküls einzuführen. Tun wir das gleich jetzt. Es sei x die lebendige Kraft eines unserer Gasmoleküle, so daß also x = mv²/2 ist. R ist der gesamte Raum, in dem unser Gas eingeschlossen ist. (...) so sage ich, die Verteilung der lebendigen Kraft sei zur Zeit t eine gleichförmige, d.h. also nichts anderes, als die Moleküle mit den verschiedenen lebendigen Kräften sind gleichförmig untereinander vermischt. Es sind nicht rechts die schnelleren, links die langsameren, oder umgekehrt. Es ist da wieder klar, daß nach Verlauf einer sehr langen Zeit die Verteilung der lebendigen Kraft eine gleichförmigere wird; denn dann ist ja jeder Ort im Gase gleichberechtigt. Die Wände stären nicht, da an ihnen die Moleküle wie elastische Kugeln reflektiert werden; also geradeso von ihnen zurücktreten, als ob der Raum jenseits der Wände von gleich beschaffenem Gase erfüllt wäre. Wir können daher wieder annehmen, daß schon zu Anfang der Zeit die Geschwindigkeitsverteilung eine gleichförmige war. Dies, sowie die gleiche Wahrscheinlichkeit jeder Geschidigkeitsrichtung zu Anfang der Zeit sind die beiden beschränkenden Annahmen, unter denen wir zunächst das Problem behandeln werden."
S. 32 II. Ersetzung der Integrale durch Summen
"Ich erinnere da an die elegante Auflösung des Problems der Saitenschwingungen durch Lagrange in den Miscellanea taurinensia, wo derselbe zuerst die Schwingungen eines Systems von n miteinander verbundenen Kugeln behandelt, und dann zu den Saitenschwingungen gelangt, indem er n immer größer, die Masse jeder Kugel immer kleienr werden läßt."
S. 138 3. Über die Beziehung zwischen dem zweiten Hauptsatze der mechanischen Wärmetheore und der Wahrscheinlichkeitsrechnung respektive den Sätzen über das Wärmegleichgewicht.
"Es ist also damit ausgesprochen, daß man den Zustand des Wärmegleichgewichtes daruch berechnen kann, daß man die Warhscheinlichkeit der verschiedenen möglichen Zustände des Systems aufsucht. Der Anfangszustand wird in den meisten Fällen ein sehr unwahrscheinlicher sein, von ihm wird das System immer wahrscheinlicheren Zuständen zueilen, bis es endlich den wahrscheinlichsten, d.h. den des Wärmegleichgewichtes, erreicht hat. Wenden wir dies auf den zweiten Hauptsatz an, so können wir diejenige Größe, welche man gewöhnlich als die Entropie zu bezeichnen pflegt, mit der Wahrscheinlichkeit des betreffenden Zustandes identifizieren. Denken wir uns ein System von Körpern, welche für sich isoliert und nicht mit anderen Körpern in Wechselwirkung sind, z.B. einen Körper von höherer und einen von niedererer Temperatur und einen sogenannten Zwischenkörper, welcher die Wärmeübertragung zwischen beiden vermittelt, oder um ein anderes Beispiel zu wählen, ein Gefäß mit absolut glatten und starren Wänden, dessen eine Hälfte mit Luft von geringerer Temperatur oder Spannung, dessen andere Hälfte mit Luft von höherer Temperatur oder Spannung erfüllt ist. Das System von Körpern, welches wir uns gedacht haben, habe zu Anfang der Zeit irgend einen Zustand; durch die Wechselwirkung der Körper verändert sich dieser Zustand; gemäß dem zweiten Hauptsatze muß diese Veränderung immer so geschehen, daß die geamte Entropie aller Körper zunimmt; nach unserer gegenwärtigen Interpretation heißt dies nichts anderes, als die Wahrscheinlichkeit des Gesamtzustandes aller dieser Körper wird immer größer; das System von Körpern geht stets von einem unwahrscheinlicheren zu einem wahrscheinlicheren Zustande über."
S. 159 II. Die lebendigen Kräfte gehen kontinuierlich ineinander über.
"Denn alle Anwendungen der Differntialrechnung auf die Gastheorie beruhen auf derselben Annahme. Will man z.B. die Diffusion, innere Reibung, Wärmeleitung usw. berechnen, so nimmt man ebenfalls an, daß in jedem unendlich kleinen Volumenelemente dx dy dz sich noch unendlich viele Gasmoleküle befinden, deren Geschwindigkeitskomponenten zwischen den Grenzen u und u + du, v und v + dv, u und w + dw liegen. Die obige Annahme besagt weiter nichts, als daß man die Grenzen für u, v, w so weit nehmen kann, daß bereits sehr viele Moleküle dazwischenliegende Geschwindigkeitskomponenten haben, und trotzdem noch alle diese Moleküle so ansehen kann, als ob sie mit denselben Geschwindigkeitskomponenten begabt wären."
S. 239 Entgegnung auf die wärmetheoretischen Betrachtugen des Hrn. E. Zermelo
"Man könnte sagen, daß nach dem Poincaréschen Satze auch das ganze Universum nach genügend langer Zeit in seinen Anfangszustand zurückkehren müßte und daher Zeiten kommen müßten, wo sich alle Vorgänge im entgegensetzten Sinne wie jetzt abspielen. Allein derartige Schlüsse scheinen mir jeder Berechtigung zu entbehren. Wie sollen wir, sobald wir die Sphäre des Beobachtbaren verlassen, entscheiden, ob die Existenzdauer des Universums oder die Anzahl der Kraftcentra, welche es enthält, unendlich groß höhere Ordnung ist? Auch wird dann die Annahme, daß der Bewegungsraum und der gesamte Energieinhalt endlich sind, fraglich. Es führt ja auch die Annahme der unbedingten Gültigkeit des Irreversibilitätsprinzips bei Anwendung auf das Universum unter Voraussetzung einer unendlich langen Dauer desselben bekanntlich zu der kaum mehr verlockenden Konsequenz, daß, wenn sich alle irreversiblen Prozesse abgespielt haben, das Universum noch unendlich lange Zeit ohne jedes Geschehen fortexistieren oder wegen Mangels an Geschehen allmählich verschwinden muß. So wenig es nun berechtigt wäre, hieraus auf die Unrichtigkeit des Irreversibilitätsprinzips Schlüsse zu ziehen, so wenig beweist der gleiche Fall etwas gegen die Atomistik.
Alle gegen die mechanische Naturanschauung erhobenen Einwände sind daher gegenstandslos und beruhen auf Irrtümern. Wer aber die Schwierigkeiten, welche die klare ERfassung der gstheoretischen Sätze bietet, nicht zu überwinden vermag, der sollte in der Tat dem Rate Hrn. Zermelos folgen und sich entschließen, dieselbe ganz azfzugeben."
S. 271 Objektive Existenz der Vorgänge in der unbelebten Natur
"Wie die Ideologie nur ein Weltbild für einen Menschen, nicht für die Menschheit ist, so scheint mir, wenn wir auch die Tiere, ja das Universum einbegreifen wollen, die Ausdrucksweise des Realismus zweckmäßiger als die des Idealismus. (...)
Hierher gehört auch die Frage nach der Existenz Gottes. Gewiß ist es richtig, daß nur ein Wahnsinniger die Existenz Gottes leugnet, aber ebenso richtig ist es, daß alle unsere Vorstellungen von Gott nur unzureichende Antropomorphismen sind, daß also das von uns als Got vorgestellte in dieser Weise, wie wir es uns vorstellen, nicht existiert. Wenn daher der eine sagt, ich bin von der Existenz Gottes überzeugt, der andere, ich glaube nicht an Gott, so denken sich vielleicht beide dabei, ohne es zu ahnen, genau dasselbe. Wir dürfen nicht fragen, ob Gott existiert, bevor uns darunter wtwas Bestimmtes vorstellen können, sondern vielmehr, durch welche Vorstellungen wir uns dem obersten, alles in sich fassenden Begriffe nähern können."